Rezensionen zu „2x Woyzeck, 2x anders“

2x Rezension, 2x anders

Die beiden Darstellenden Spiel Kurse des 12. Jahrgangs des Gymnasiums Ricarda-Huch-Schule Braunschweig zeigten im Rahmen der 53. Schultheaterwoche am Dienstagabend unter der Leitung von Kathrin Pelz mit ihrem Stück “2x Woyzeck, 2x anders” zwei verschiedene Interpretationen des Woyzeck-Stoffs, die in ihrer Anlage vollkommen unterschiedlich – eben zweimal anders – aber gleichsam beeindruckend waren.

Die erste Gruppe präsentierte dabei eine textnahe Adaption des Dramas. Die Spielenden überzeugten durch ihre kenntnisreiche Darstellung und schafften es, die Zuschauenden in kürzester Zeit in die Welt des Protagonisten Woyzeck zu entführen. “Herzlich Willkommen! Schön, dass Sie bereit sind, uns zur Verfügung zu stehen.” Dieser Satz dringt wiederholend aus den Lautsprechern. Das Publikum – wir – sind nun Teil des Experiments, werden selbst zur moralischen Instanz, wenn wir am Ende mit roten und grünen Karten (mutmaßlich) über Woyzecks Strafe entscheiden werden. Bevor das Publikum dieses (vermeintliche) Urteil fällt, präsentiert die Gruppe eine Auswahl an Szenen aus Büchners Dramenfragment Woyzeck, die teils originalgetreu – samt anspruchsvollem und aufwendig eingeprobtem Originaltext! – gespielt, teils mit originellen Ideen angereichert werden. So entsteht ein grotesk-tragisches Bad in ballgroßen Erbsen, die sich immer mehr auf dem Bühnenboden verteilen.

Nicht nur die Hauptfigur Woyzeck ist mittels Figurensplitting verdoppelt worden – zum einen als erbsenfressendes, im Planschbecken sitzendes Versuchskaninchen, zum anderen als immer wahnsinniger werdender Lebensgefährte Maries, dessen Stimmen im Kopf – im Stück durch maskentragende Performer*innen dargestellt – immer lauter, fordernder werden und ihn letztlich dazu bringen, Marie zu töten. Auch der Offizier, im Original eine männlich gelesene Figur, wird in der Inszenierung zur Oberoffizierin und von mehreren Spieler*innen gleichzeitig verkörpert. Diese Entscheidung trägt insbesondere in der spielstarken Frisierszene, in der durch das Hin- und Herrücken der Stühle eine hohe Dynamik entsteht. Die insgesamt schnellen Szenenwechsel passen zur Fetzentechnik der dramatischen Vorlage und machen die Arbeit der Gruppe zu einem kurzweiligen Theatererlebnis.

Besonders eindrucksvoll und deswegen nachhaltig im Gedächtnis geblieben ist die Begutachtung Woyzecks, des interessanten Kasus, durch den Doktor – auch hier wurde erneut auf das Motiv der Vervielfachung zurückgegriffen, was wiederum das Machtgefälle zwischen Doktor und Woyzeck einmal mehr unterstreicht. Hervorzuheben sind an dieser Stelle die Sprachgewalt der Szene, das präzise Spiel der Spieler*innen sowie das tatsächliche Einfühlen in die Rolle. Spätestens als der Doktor Woyzeck zugunsten einer zweiten Zulage geistige Verwirrung attestiert und mit unzähligen grünen Bällen – Erbsen! – überschüttet, lässt sich Woyzecks Unzurechnungsfähigkeit und damit auch seine Schuld mit einem Fragezeichen versehen.

Wenn das Publikum nun am Schluss mithilfe roter und grüner Zettel entscheidet, ob Woyzeck bestraft werden sollte oder nicht, bleibt unklar, ob die Stimmen wirklich zählen oder ob der Ausgang eigentlich bereits – unabhängig vom Publikum – entschiedene Sache ist. Während die Entscheidung verkündet wird, leert sich die Bühne. Ein Schuss ertönt.

Die zweite Gruppe hingegen setzte auf eine freie Adaption des Dramas und überführte den Woyzeckstoff eindrucksvoll in einen anderen Kontext. Dafür nutzte die Gruppe weder den Text noch die Figuren des Dramas, sondern widmete sich mittels selbst geschriebener Dialoge und biographischer Texte den Themen Soziale Klasse und Reichtum und führte dem Publikum so vor Augen, wie unsere Gesellschaft heute Woyzecks hervorbringt.

Ein Strudel aus schick gekleideten Menschen mit mächtigen Koffern kreist im Stechschritt um eine am Boden sitzende, bettelnde Person. Die Hektik einer Stadt, in der jede*r bei sich und eine*r unter vielen ist, wird spürbar. Es bleibt keine Zeit, jemandem wirklich zu begegnen. Die Person in der Mitte bleibt dennoch nicht unbeachtet. Mitleidige und abwertende Gedanken werden ihr gegenüber laut: So möchte man nicht leben. Selber schuld. In jedem Fall hindert es niemanden am Weitergehen. Jede*r hat ja sein*ihr eigenes Leben.

Die Rahmenhandlung des Stücks bildet der Verlust eines Koffers durch einen gut betuchten Businessmenschen. Der Koffer wird von der bettelnden Person gefunden und nach erfolglosen Bemühungen, ihn zurückzugeben, von ihr geöffnet. Dies ermöglicht der Person für einen Moment ein sorgenfreieres Leben. Die Darsteller*in spielte glaubwürdig, welche inneren Kämpfe und welchen Traum vom besseren Leben die Figur durchlebt. Mit weiteren, kurzweiligen Szenen und gekonnt zügigen Szenenwechseln führten die Spielenden die Zuschauenden an weitere Schauplätze, an denen geringverdienende Menschen woyzeckgleich, Tag ein Tag aus, Tätigkeiten für die Priviligierten ausführen, den Müll hinter ihnen wegräumen, ihnen den Kaffee servieren und sich noch dazu ihre arroganten Vorträge über das sinnvollste Arbeitsverhalten anhören. Nennenswert ist an dieser Stelle, dass in der Inszenierung kleine, feine Textbezüge zum Woyzeck-Drama hergestellt werden. So instruieren die Businessmenschen – ganz nach der Devise von Büchners Hauptmann („Er sieht immer so verhetzt aus! Ein guter Mensch tut das nicht…“) – eine*n Kellner*in unberechtigterweise, nicht so zu hetzen, schließlich müsse diese*r ja noch 30 Jahre arbeiten.

Die Spielenden verkörperten ihr jeweiliges Rollenklischee Businessmensch, rich kid bzw. reiche Person oder Arbeiter*in auf gelungene Weise. Die Anzüge der Businessmenschen waren zu groß, sie sprachen langsam, gestelzt, setzten künstliche Pausen und stiegen auf Stühle, um Bedeutungsschwere herzustellen und ihren sozialen Status zu verdeutlichen. Ebenfalls gelungen war die grotesk überhebliche und sorgenbefreite Darstellung der rich kids in einem Shop und die im Kontrast dazu zurückhaltende, fast unterwürfige Haltung der Arbeitenden in blauen Overalls. Die Spielenden aller Rollengruppen überzeugten durch eine hohe Präsenz und spielerische Ernsthaftigkeit. Durch gekonnte Überzeichnungen entstand ein ironisch-kritischer Unterton.

In der Schlussszene laufen die Spielenden wieder, von ihrer Rolle gelöst, über die Bühne. Nach und nach werden Äußerungen der Spielenden dazu abgespielt, welche Art des Miteinanders sie sich wünschen und was Chancengleichheit für sie bedeutet.

Durch die selbst verfassten Texte mit biographischen Elementen schuf die Gruppe eine hohe Nahbarkeit und Nachvollziehbarkeit der Darstellung.

Die Inszenierung war so fesselnd, dass man als Zuschauer*in fast gewillt war, sich selbst an die Nase zu fassen, als alle Spieler*innen auf der Bühne dies tun, um zu signalisieren: Jede*r trägt Verantwortung für soziale Ungerechtigkeit und die Verbesserung des Miteinanders.

Insgesamt war die Inszenierung von 2x Woyzeck, 2x anders ein beeindruckendes Erlebnis. Die beiden Schultheatergruppen haben gezeigt, dass junge Menschen in der Lage sind, anspruchsvolle Stoffe auf die Bühne und ihre eigenen Bezüge dazu zum Ausdruck zu bringen und sie haben gezeigt, dass ein und dasselbe Werk sehr unterschiedlich bearbeitet werden kann.

Johanna Wolter und Grietje Hansen

Wie macht sich die pinke Handtasche im quietschgrünen Erbsenbecken?

Erbsen zählen im Planschbecken, Schattenwände mit bösen Gedanken, rote Tücher, rote Lippen, ein hektischer Flughafen, geklaute Koffer, eine überforderte Kellnerin und ein Duell über Klischees. 

 Am heutigen Abend im Kleinen Haus zeigten die beiden Darstellendes Spiel Kurse des 12. Jahrgangs der Ricarda-Huch-Schule Braunschweig unter der Leitung von Katrin Pelz ihre 2x Woyzeck, 2x anders-Inszenierung – die tatsächlich – zweimal anders war. 

 Teil 1 der Doppelinszenierung nahm das 2x Woyzeck gleich wörtlich und splittete die Hauptfigur. Der handelnde Woyzeck wurde dargestellt als verrückter, unruhiger, ständig unter Druck stehender Mensch, der von den obersten Oberoffizierinnen hämisch belächelt wird, zu hektisch arbeitet und einfach nur dumm ist: „Langsam, hübsch langsam!“ äußern die Oberoffizierinnen in einer Friseurszene, in der ihr sehr stimmig aufgeteilter Monolog durch das Hin- und Herrücken von Stühlen ein tolles Timing bekommt. 

Im grünen Planschbecken, Erbsen in Form von Bällen zählend, sitzt der zweite Woyzeck. Immer wieder wird er von den zulagengierigen Ärzt*innen zugeschüttet, immer wieder begraben von Erbsen, immer enger wird das gesellschaftliche Korsett, welches ihn in den Abgrund zwingt. ZULAGE! 

Woyzeck bleibt nur noch Marie, welche mit dem Tambourmajor eine erotische Annäherung wagt. Letztendlich ist es seine Eifersucht, die bösen Gedanken – wirkungsvoll dargestellt von Masken tragenden Spieler*innen u.a. hinter Schattenwänden – welche ihn flüsternd zum sehr stark umgesetzten Mord verführen.  

Die Handlung ist eingebettet in eine Studie, das Publikum Teil dieses Moralexperiments. Am Ende, wenn die Zuschauer*innen über Woyzecks Schicksal selbst entscheiden müssen, wird klar: Nichts ist schwarz-weiß bzw. Rot-Grün. Das Publikum entscheidet sich für die Strafe Woyzecks und so hört man am Ende nur noch den Schuss. Und dann ist Black und Zeit für Gedanken. „Inwiefern ist man selbst für sein Handeln verantwortlich?“ ist die Frage, die die Schüler*innen dazu bewegt hat, das Publikum auf diese Weise miteinzubeziehen.

Die Spieler*innen agieren allesamt mit hoher Präsenz und artikulieren gekonnt, die Spielfreude und intensive Auseinandersetzung mit dem Thema sind auf der Bühne sehr deutlich zu sehen. 

Teil 2 – „Was ist das eigentlich für eine Scheiß-Gesellschaft?“ tönt es im zweiten Teil der Doppelinszenierung in der ersten Szene über die Bühne. Die Spieler*innen bewegen sich gestresst und hektisch um eine am Boden sitzende Person mit Hut vor sich und bleiben immer wieder für gesellschaftskritische Phrasen stehen. Diese wechseln von sorgenvollen Gedanken gegenüber der vermeintlich obdachlosen Person zu typischen klischeebehafteten Vorurteilen, wie „Die versäuft das Geld doch sowieso gleich wieder.“ 

 Ja, diese Gruppe löst sich stark von Büchners Vorlage, beschäftigt sich vor allem mit der Aktualität der Vorlage und greift gesellschaftskritische Themen auf. Dabei nutzt sie eine Trennung der Spielerinnen in zwei Schichten. Während die einen in blauer Pflegekräftekleidung Aufgaben wie das Fegen der Bühne oder das Müllwegräumen der anderen übernehmen, bewegt sich die andere Gruppe der Reichgeborenen selbstbewusst und rücksichtslos auf der Bühne. Umweltschutz, Fair Fashion, Chancengleichheit und Armut sind die Themen dieser Inszenierung, durch die eine an Woyzeck angelehnte Figur beispielsweise in einer Szene zur Servicekraft in einem Café am Flughafen wird. „Langsam, hübsch langsam“ oder „Eine gute Kellnerin tut das nicht“ äußern die an die Figur des Hauptmanns erinnernden Spielerinnen auf Stühlen dabei – groß und überlegen –  und ermöglichen uns auch in diesem Teil eine Auseinandersetzung mit Büchners Textgrundlage. Es folgt ein sehr berührender Monolog einer Spielerin aus der ärmeren Gesellschaftsschicht über die Notwendigkeit, eine pinke Handtasche zu besitzen. Diese pinke Handtasche steht stellvertretend für Reichtum und materiellen Besitz mit der Erkenntnis: „Ich brauche eigentlich gar keine pinke Handtasche.“ 

 Diese wirklich sehr gelungene Ablösung endet in einem starken, Moment mit einem Duell, in dem die Spielerinnen sich noch einmal Vorurteile gegenüber den unterschiedlichen Schichten Arm und Reich fingerzeigend an den Kopf werfen. Diese Finger jedoch landen letztendlich an ihrer eigenen Nase. Ein wirklich gelungener Schlüsselmoment, der zum Nachdenken anregt! Gefolgt wird dieser von auditiv eingespielten Aussagen, in denen die Spielerinnen autobiographisch Stellung zum Thema Chancengleichheit nehmen. 

 Ebenfalls sehr gelungen waren die nahezu tanztheatralen Momente, die unterlegt wurden mit der eigens für die Robert- Wilson-Version des Woyzeck komponierten Musik von Tom Waits. Da waren schwere Schritte, fegende Pflegekräfte und aufeinanderprallende Koffer im Gleichschritt der Gesellschaft. Da war viel Spielfreude, starke Präsenz und ein inhaltlich überzeugender Zugang zu Büchners Woyzeck.

 Insgesamt war dies ein sehr gelungener Auftritt – nicht zuletzt, weil die zwei Inszenierungen perfekt aufeinander aufbauten und harmonierten. Der Abend endete in tosendem Applaus des Publikums, vielen interessierten Nachfragen und lobenden Worten an die wunderbaren, engagierten Schüler*innen und ihre tolle Lehrkraft.

Nadine Eckelt und Franziska Baumgartner

Woyzeck – Konfrontation zwischen Arm und Reich

Deutschunterricht mit Darstellendem Spiel verbinden – geht das? Aber ja! Dies bestätigen die Grund- und Prüfungskurse der Ricarda-Huch-Schule Braunschweig, welche das bekannte Drama „Woyzeck“ von Georg Büchner im Kleinen Haus des Staatstheaters Braunschweig inszeniert haben. Mit ihrem Stück „2x Woyzeck, 2x anders“ bringen sie die spürbar intensiven Auseinandersetzungen im Deutschunterricht mit der diesjährigen Pflichtlektüre unter der Leitung von Katrin Pelz auf die Bühne.

(Teil 1)

Das menschliche Versuchskaninchen Woyzeck, welches auf zwei Protagonisten aufgeteilt wird, nimmt an einem medizinischen Versuch teil, der Erbsen als einzige Nahrungsmöglichkeit voraussetzt. Als soziales Opfer der Gesellschaft muss es außerdem von einer Seite zur anderen rennen und wird von dem gut aussehenden Tambourmajor wortwörtlich „mit Füßen getreten“ und seiner Marie beraubt. 

Durch die sich wiederholenden Zwischenszenen, in denen Woyzeck in einem Bassin sitzend wie im Wahn Erbsen isst, dabei von tischtennisballgroßen Erbsen überschüttet, wird mittels der Intensität des Ausdrucks die sich zusehends verschlechternde psychische Verfassung Woyzecks gesteigert. 

Gruselig maskierte und in Schwarz gekleidete Gestalten stellen die Halluzinationen, Gedanken und Wahnvorstellungen des psychisch kranken Woyzecks dar und unterstreichen sehr ausdrucksstark dessen Bedrohung. Der Kontrast zwischen den glücklichen tanzenden Menschen im Wirtshaus und den gewalttätigen bösartigen Handlungen derselben Personen zeigt das Paradoxe und Scheinheilige dieser Menschen. Das Messer, mit dem Marie ermordet wird, wird ihm direkt von den maskierten Gestalten gereicht. Diese drängen ihn förmlich zu dieser Entscheidung.

Die Frage nach der Schuld beziehungsweise Unschuld Woyzecks durch eine direkte Abstimmung der Zuschauer stellt am Ende eine abwechslungsreiche und kreative Art und Weise dar, die moralische Auseinandersetzung um den den Mord an Marie an das Publikum zurückzugeben.

Die ausdrucksstarke Spielweise sowie das kreative Bühnenbild und die passenden Musikeinspielungen führen zu einem spannenden Zuschauererlebnis und runden den zweiten Tag der Braunschweiger Schultheaterwoche gekonnt ab.

(Teil 2)

Die selbstverfasste Adaption des „Woyzeck“ beschäftigt sich mit dem Originalwerk auf eine zeitgemäße Art und Weise. So wird wenig Originaltext und keine Originalszene verwendet, um uns den Aktualitätsbezug von Büchners Anliegen zu vermitteln. 

Der DS-Kurs stellt die Probleme auf eine moderne und lebendige Weise dar. Im Lauf der Vorführung spitzt sich der Konflikt zwischen Arm und Reich, der auf Vorurteilen und fehlendem Verständnis von beiden Seiten beruht, immer weiter zu.

Der Höhepunkt findet schlussendlich in Form einer direkten Konfrontation statt. Hier wird von beiden Seiten realisiert, dass nicht die anderen an allem Schuld sind.

Das Bühnenbild bleibt durchweg detailreich und ist aussagekräftig. Die Szenenübergänge gelingen fließend. Eine Putzkolonne räumt und baut die Szenen zu passender Musik immer wieder auf und ab. Dieses Team stellt einen großen Teil der gesellschaftlich unteren Schicht dar. In den Szenen übernehmen sie verschiedene Rollen, zum Beispiel als Bedienung in einem Café.

Das Stück beginnt an einem Flughafen – hier wird die erste klare Unterteilung zwischen Arm und Reich deutlich. Während viele Reisende durch das Bühnenbild wuseln, sitzt im Zentrum eine Person, die um Kleingeld bettelt. Anstatt zu helfen, verurteilen die privilegierten Reisenden die Person. Die Verurteilung wird jedoch nicht direkt ausgesprochen, sondern findet in den Gedanken der Wohlhabenden statt. Dies wird durch eine Trennung mithilfe von Wandschirmen verdeutlicht. Das Urteil der Menschen bezieht sich hier klar auf Stereotypen und spiegelt eine einseitige Haltung der Gesellschaft wider.

Im Laufe des Stückes wird das nicht vorhandene Verständnis für weniger Wohlhabende immer deutlicher. Gönnerhaft sprechen verschiedene Businessmänner und -frauen mit der Bedienung in einem Café. So schlagen sie ihr einen Urlaub vor, den sie sich nicht leisten kann, da sie „schrecklich“ aussehe. Für das fehlende Tragen von teurerer Fair-Trade-Kleidung wird sie von oben herab behandelt. In dieser Szene wird besonders nah am Originaltext gearbeitet, indem Sätze des Hauptmanns Verwendung finden.

Die darauf folgenden Szenen beschäftigen sich mit den verschiedenen Träumen und Sorgen der zwei Gruppen. Die Reichen wünschen sich neue, teure Dinge, während die Armen nach Sicherheit streben. Die gegenseitige Ignoranz wird durch wiederholte Unterbrechungen der anderen deutlich.

In der offenen Konfrontation wird die Kluft zwischen beiden Gruppen anschaulich dargestellt, die durch die räumliche Aufteilung noch verstärkt wird. Sich einander gegenüberstehend werfen sich die beiden Gruppen alles bislang Unausgesprochene an den Kopf. Als sich jedoch alle wortwörtlich an die eigene Nase fassen, lösen sich die Probleme schnell auf.

Der Bezug zur eigenen Realität wird mittels recherchierter Fakten und persönlicher Eindrücke der SchauspielerInnen am Ende hergestellt. Die moderne Adaption des „Woyzeck“ gelingt dem Kurs somit ausgezeichnet in einer gelungenen Inszenierung mit deutlichen Bezügen zu unserer aktuellen gesellschaftlichen Lage.

Mareile Kuhlencord und Silas Adler (Schüler_innen 12.Klasse des Theodor-Heuss-Gymnasiums Göttingen)

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