Rezension zu „Phantasien in Not“

Was ist eigentlich für dich ein Held oder eine Heldin?

 Um Drachen geht es und Waldgeister, um eine Kindliche Kaiserin, die sehr krank ist und dringend einen Helden benötigt, der ihr Reich rettet, um Phantasie und Realität und das, was sich manchmal dazwischen findet. Ja, und am Ende um die innersten Wünsche und wie schön es ist, sie sich selbst durch eigenen Mut und Selbstlosigkeit zu erfüllen.

Am Anfang noch ein wenig leise, dann immer stärker werdend und mit stetig wachsender Bühnenpräsenz spielen sich die 17 Schülerinnen und Schüler des 10. Jahrgangs des Gymnasiums am Fredenberg hinein in eine bilderreiche Geschichte um den schüchternen Außenseiter Bastian und das gleichaltrige Mädchen Atréju aus dem Lande Phantasien, die gemeinsam (obwohl sie ja bis zum Ende eigentlich gar nichts voneinander wissen oder höchstens ahnen) die Heimat Atrèjus vor dem bösartigen Nichts retten, das sich in die Wälder und deren Bewohner frisst und diese für immer auslöscht. 

Gruselige Musik ertönt, als die Schattengeister in den lebendigen Wald eindringen. Ausdrucksstarke Standbilder und exakt gespielte Posen zeigen die Handlung, manchmal vielleicht ein wenig zu illustrierend, hier hätte man sich mehr Mut zu auch mal ungewöhnlichen Bewegungen gewünscht. Einfache, aber geschickt gewählte Theatermittel wie beispielsweise grüne Handschuhe als Kostümelement kennzeichnen die „grünhäutigen“ Bewohner*innen des Waldes. Besonders beeindruckend ist die Szene, in der die weißbekittelten Ärzt*innen im exakt gesprochenen Chor nach Hilfen für die schwer erkrankte Kindliche Kaiserin suchen und zu dem Schluss kommen, dass nur ein Held hier Rettung bringen kann, der den Mut hat, ihrer Herrscherin einen neuen Namen zu geben. Nacheinander treten die Schüler*innen auf die Bühne und zeigen, in sehr persönlichen Worten und Standbildern, was für sie eigentlich „Held*in sein“ bedeutet: jemand, der mich beschützt, der sich um mich kümmert, der sich schützend vor mich stellt, der mich so akzeptiert, wie ich wirklich bin. Ein sehr berührender und starker Moment der Inszenierung, weil hier zu spüren ist, was den Spielenden wirklich wichtig ist und was sie selbst aus dieser Geschichte mitgenommen haben.

Rasant geht es weiter, das Nichts breitet sich immer weiter aus und in die Sümpfe der Traurigkeit sieht man die Schauspieler*innen körperlich versinken. Doch es naht Rettung in Gestalt des Drachen Fuchur, der noch, symbolisiert durch weiße Seile, im Spinnennetz gefangen ist und von Atréju nur befreit werden kann, wenn diese bereit ist, sich von der grauslichen vielköpfigen Igramus beißen zu lassen. Deren Gift wirkt jedoch innerhalb einer Stunde tödlich. Aber um ihre Heimat und die Kaiserin zu retten, ist die junge Heldin bereit, ihren sicheren Tod auf sich zu nehmen. Sehr beeindruckend spielen die engagierten Darsteller*innen, untermalt vom wild zuckenden Stroboskoplicht und actiongeladener Musik, diese Befreiungsszene. Zum Glück kann das gute Kräutermännlein unsere Heldin noch einmal retten und mit Heilkräutern deren frühzeitiges Ableben verhindern. Es schließt sich eine starke, chorisch gesprochene Passage an, in der wir die Stimmen der Stille als Toröffner zum Innersten Ort Phantasiens erleben. Hier muss nun der Held aus der realen Welt seine ureigenen Ängste überwinden, damit sich der Einsatz aller gelohnt hat. Im Spiegel (sensibel gedoppelte Bewegungen in berührender Nähe) erkennen Bastian und Atréju einander endlich und können, gemeinsam nun, ihr Werk vollenden. Und so schließt sich der Kreis: Poesie und echte Fantasie, die eben keine Lüge oder Wahnidee ist, bringen der Kaiserin endlich ihren neuen Namen. Und die Spieler*innen bilden eine fest ineinander verschlungene Reihe und zeigen, was ihnen wirklich wichtig ist: Akzeptanz, Glück und Gesundheit im Leben, Erfolg und finanzielle Unabhängigkeit und Toleranz, unabhängig von Aussehen und Herkunft. Wer es wagt, seine Wünsche, Träume und Phantasien auch beim Namen zu nennen, wird belohnt.

Welch wunderschöne Botschaft, die großen Eindruck bei den Zuschauenden hinterlässt. Diese belohnen ein hoch engagiertes Ensemble mit warmem Applaus.

Agnes Koller

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