Rezension zu „Sturm&Drang“

Der Himmel ist wolkenlos

Werther liebt Lotte. Lotte liebt aber Albert. Hunter liebt Geraldine, die wiederum Werther liebt – und wer liebt Hunter?

Das Gymnasium Uslar hat nicht nur seine Theater AG im Gepäck, sondern auch noch seine Rockband – und die lassen es gemeinsam im Kleinen Haus richtig stürmisch werden. In einem gelungenen Wechsel von schauspielerischen und musikalischen Einlagen zeigen die 19 Schülerinnen und Schüler unter der Leitung von Johannes Bergmann und Tanja Hesprich ihre moderne Interpretation der „Leiden des jungen Werther“ und vor allem des Lebensgefühls, das die Stürmer und Dränger – und oft die Jugend insgesamt – so bewegt. Da wird die Vernunft angeklagt, Flirttipps aus der Bravo werden auf ihre Tauglichkeit hin überprüft und vor allem wird getanzt, gefeiert und geliebt. Und es wird gesungen! Die Gruppe begeistert mit ihrer musikalischen Performance, umso mehr, wenn man dem Programmheft entnimmt, dass, bis auf eines, alle Lieder selbst getextet und komponiert wurden. Und Kurt Cobain wäre, wie der junge Goethe, sicher mit der Verwendung seiner Werke einverstanden gewesen, denn die Mischung aus eigenen, modernen Texten, Originalzitaten von Goethe – nicht nur aus dem „Werther“ – und den Songs überzeugt auf ganzer Linie. Die englischen Texte sind leider nicht immer so gut zu verstehen, doch das Publikum singt noch beim Verlassen des Kleinen Hauses „Der Himmel ist wolkenlos“. Auch körperlich lassen die Spieler*innen ihren Gefühlen freien Lauf, was manchen sehr gut gelingt, teilweise aber etwas gezwungen wirkt.  Von der ungeplant fallenden Kulisse lassen sie sich nur kurz aus dem Konzept bringen – nehmen dies im weiteren Verlauf sogar indirekt mit auf. Am Ende bleiben ein Mord, ein toter Vogel und ein angekündigter Selbstmord – der nicht nur vom ausgehenden Licht, sondern auch von den erschrockenen „Nein!“-Stimmen aus dem Publikum unterbrochen wird. 

Melanie Knop

Goethe modern und rockig

Werther liebt Lotte. Lotte liebt Albert. Albert liebt Lotte. Geraldine liebt Werther, Hunter liebt Geraldine. Nur Hunter, den liebt keiner. „Sturm und Drang“, eine Inszenierung der Theater-AG des Gymnasiums Uslar, leitet die Zuschauer in eine komplizierte Figurenkonstellation, geprägt von flammenden Herzen und unerwiderter Liebe, begleitet und unterstützt durch eine Pop-/ Rockband, die die Gefühle und Gedanken der Hauptfiguren aufgreift und in fetzige Songs überschreibt. Goethe mal anders: „Die Leiden des jungen Werthers“, modern und rockig.

Sowohl das Bühnenbild als auch die Kostüme zeigen den Kontrast zwischen Goethes altbekannter Geschichte und dem frischem Wind der neuen Interpretation. Eine passende Darstellung, mit welcher die Story auch für das jüngere Publikum zugänglich wird.

Die scheinbar schüchterne Lotte entpuppt sich als starke und liebenswerte junge Frau. Lotte hat zwar die Herzen von Albert und Werther erobert, doch die Herzen des Publikums gehören Werther. Der Schauspieler überzeugt mit seiner Ausstrahlung, Mimik und Gestik. Doch nicht nur Werther gewinnt die Zuschauer durch seine kräftige und emotional geprägte Stimme für sich, auch die übrigen Sängerinnen und Sänger können mit ihren starken und dynamischen Stimmen beeindrucken.

Auffallend ist das ähnliche Kostüm der beiden Liebhaber Lottes. Trotz dessen unterscheiden sie sich stark im Charakter. Albert ist ruhiger und emotional stabil, Werther das komplette Gegenteil.

Die kleine Schwester von Lotte erkennt den Charme des „komischen Freundes“ ihrer Schwester. Das junge Alter der kleinen Schwester konnte durch ein passendes Kostüm und ein gelungenes kindliches Auftreten treffend dargestellt werden.

Nicht nur inhaltlich geht es „stürmisch und drängerisch“ zu, sondern auch musikalisch. Die Schülerinnen und Schüler haben eigene Musikstücke komponiert und diese in die Szenen als zentralen Bestandteil eingebaut. Die Ereignisse innerhalb der Geschichte, die wie eine Achterbahn der Emotionen verläuft, werden so von abwechslungsreicher und eindrücklicher Musik begleitet. Bemerkenswert und vor allem lobenswert ist die musikalische Begabung der Beteiligten. Sie erzeugen durchgehend eine wilde und mitreißende Atmosphäre im Publikum.

Somit im wahrsten Sinne: Eine stürmische Angelegenheit, die sich in dem tobenden und jubelnden Applaus am Ende der Vorstellung widerspiegelt.

Greta Heinisch, Simge Kabadas, Mathilda Müller und Cemre Sari (Theodor-Heuss-Gymnasium Göttingen)

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