Mit Karacho durch die Karibik
Nebelschwaden wallen im nahezu dunklen Raum, Balken knarren, Seile sind hörbar gespannt: Im Halbdunkel formiert sich eine Menschengruppe und flüstert Bedrohliches bis am Ende alle kraftvoll ihre Lust am Piratensein skandieren. Gruppen formieren sich, die uns mit starker Haltung und viel Spielfreude in die Geschichte von Jack Sparrow, Will Turner und Elisabeth Swan hineinziehen – alles intensiv unterstützt durch exakte Körpersprache und ausdrucksstarke Tableaus, aus denen heraus in Mini-Szenen die geschickt auf das Wesentliche reduzierte Handlung vorangetrieben wird.
Szenenwechsel: Blaulicht einer „Amerikanischen Nacht“, die uns in eine unheimliche Atmosphäre rund um die gigantische Schatzkiste, die vom gedoppelten Sparrow auf die Bühne geschleppt wird, hineinzaubert. Alle anderen Spieler:innen, jetzt in neuen Rollen, bewegen sich aus dem Hintergrund in Zeitlupe begehrlich auf diese Kiste zu, schrecken aber vor dem Körpergeruch der Sparrows angeekelt zurück und suchen doch lieber das Weite.
Szenenwechsel: Zwei Wächter übertölpeln sich in schönster shakespeare’scher Dummheit im Verhör der Sparrows selbst – an dieser Stelle, wie auch im gesamten Verlauf des Stückes, immer wieder wunderbar der stark reduzierte und spielerisch variierte Einsatz von Kostüm-Versatzstücken oder Requisiten! Wie die Verwendung der Holzstäbe als Lanzen, Gewehre oder Gefängnisgitter, von den eingesperrten Sparrows selbst gehalten – bis sie ihr Befreier Will schlicht umpustet und damit die Flucht einleitet. Oder später die Verwendung von arg ramponierten Blumentopf-Palmen, hinter denen sich in bester Kleinkindmanier erst angepirscht wird, um sie dann als mobile Versteckmöglichkeit vor den Verfolgern gleichermaßen überzeugend – wie natürlich eigentlich nutzlos – einzusetzen. Die allseits bekannte Geschichte wird irgendwie getreu nacherzählt, allerdings stets mit Augenzwinkern und Mut zur Groteske, schnellen Szenen- und Figurenwechseln, nahezu nahtlos in den Übergängen und im Spiel-timing, was die Handlung flott und rasant macht.
Szenenwechsel: Die Piraten rauben Elisabeth, lautmalerisch an Mikrophonen unterstützt, die Entführung selbst findet im kampfgerechten Cinemaskop-Format in Slow Motion statt – gruselig untermalt durch den „Cold Song“ von Klaus Nomi – wie überhaupt ein sehr breit gefächerter Musikeinsatz die Handlungen sinnfällig unterstützt, mal erheitert, mal feierlich atmosphärisch verdichtet und oft gekonnt ironisch bricht – wie z.B. mit dem zirkusartigen „Peter-Gunn-Motiv“ aus den Blues Brothers.
Die Handlung spitzt sich weiter zu: Die gegnerischen Schiffsbesatzungen formieren sich parallel um ihre Segel und nehmen die Verfolgungsjagd zur Todesinsel auf: Will Turner und die Jack Sparrows auf dem einen Segler, Elisabeth mit den untoten Piraten auf der Black Pearl. Es wird gefährlich.
Szenenwechsel: Die Zombies sind erregt bei der Vorstellung, endlich von ihrem Fluch erlöst zu werden, und aus dieser Energie entwickelt sich zu Michael Jacksons „Thriller“ eine spritzige Tanzchoreografie.
Nach weiteren Szenenwechseln, die den Fortlauf der Handlung vorantreiben, findet unter Stroboskoplicht eine wilde Verfolgungsjagd rund um die Zuschauer:innen-Tribüne statt, abgeschlossen durch eine witzige „Hase und Igel“-Szene, bis am Ende schließlich der „Fluch der Karibik“ endgültig durch Wills Blutopfer gebrochen wird und alle Zombies ihren Frieden finden. Alle tanzen noch einmal erleichtert zur „Thriller“-Musik – danach kann jede Figur über die persönlichen Zielsetzungen Erfolge vermelden:
Friede, Freude, Eierkuchen – und ‘ne Buddel voll Rum!
Eine dreiviertelstündige Tour de Force der spielfreudigen Gruppe des Theodor-Heuss-Gymnasiums Göttingen unter der Leitung von Claus Schlegel! Das waren die definitiv besten Piraten, von denen wir je gehört haben!
Margrit Lang & Merlin Mölders