Bist du das U oder das Dis?
In meinem Utopia habe ich ein Douglas bei mir zu Hause, in meinem Utopia gibt es Einhörner, kommt die Deutsche Bahn nie zu spät, mögen alle Katzen lieber als Hunde, kann ich Gedanken aufschreiben und laut vorlesen. Und wie sieht euer Utopia aus?
Die Schüler*innen der IGS Peine aus dem Darstellenden Spiel Kurs 12 zeigten heute Abend im Kleinen Haus eine sehr überzeugende, tanztheatrale Auseinandersetzung mit den Themen Dystopien und Utopien unter der Leitung von Nadine Eckelt. Dabei überzeugt diese Gruppe besonders durch ihren körperlichen Einsatz.
Ein eindrucksvoller Beginn – nach einer kurzen inhaltlichen Einführung in die Texte von E. M. Forster aus „Die Maschine steht still“, betreten die 23 Spieler*innen im Nebel ihre Waben auf der Bühne. Es folgt eine synchrone und ausdrucksstarke Choreographie, in der die Waben ausgelotet und nicht durchbrochen werden. Die Isolation ist greifbar!
Die Maschine, die in Utopia alles übernommen hat – denken, fühlen, berühren, wird dabei von den Spieler*innen in verschiedenen Bewegungssequenzen beeindruckend und rhythmisch dargestellt. Besonders in Erinnerung bleiben die Berührungs-Duette mit schönen Elementen des kontaktlosen Annäherns auf unterschiedlichen Ebenen, die einen lauten Alarm bei tatsächlicher körperlicher Berührung auslösen. Denn es gibt Regeln und an die hat man sich zu halten! Die einzelnen Versuche des Ausbruchs werden von den Systemfreunden immer wieder versucht zu vertuschen. „Legt euch nicht mit der Maschine an!“ wird drohend an das Publikum gerichtet und davor gewarnt, sich gegen das System aufzulehnen. Und plötzlich fehlt Liz, eine Spielerin, die zuvor noch Teil der witzigen und improvisierten Utopia-Reihe war!
Die rotierenden Szenen, die in Variationen, optimiert, bedrohlicher oder in anderen Qualitäten wiederkehren, werden durch eine maschinell, monoton sprechende Erzählerin angesagt und nehmen das Publikum mit nach Utopia, erlauben uns zwischendurch das Lachen und Berühren ganz besonders durch den überzeugenden Vortrag eines selbstverfassten Slamtextes, der mit der Frage „Denkst du oder nimmst du es hin?“ und dem Ausbruch dieses Spielers endet. Durch die Variation „Wabenchoreo mit Ausbrüchen“, gelingt es der Gruppe mit ihren 23 Spieler*innen immer wieder kurze und spannende Solo-Momente für einzelne Personen zu schaffen, die alle ihre individuelle Art des Ausbrechens zeigen.
Die Inszenierung endet mit einem eindrucksvollen, selbstverfassten Chor, der alles Negative, Dystopische verhandelt und in die Forderung nach Utopien wechselt. Denn es gibt keine Sterne mehr! Und die Menschheit hat ihre Lektion noch nicht gelernt. Also alles auf Anfang! Es scheint, als würde die Inszenierung wiederholt werden, doch dieser Gruppe gelingt ein entscheidender Dreh, als sie die Inhalte E. M. Forsters auf unsere heutige Gesellschaft übertragen und die Bühne, angeleuchtet durch ihre Smartphones, betreten: „Denn die Maschine sieht, weiß und hört alles.“
Franziska Baumgartner