Rezensionen zu „Angst macht Angst“

Macht dir das Angst?

5. Juni 2023: Ein gut besetzter Theatersaal im Kleinen Haus, DIN A4 Blätter mit Aufdrucken wie “Dein Herz rast” oder “Nicht atmen” und eine Bühne mit einigen Kartons, auf denen Ängste geschrieben stehen – Das sind die Grundlagen für „Angst macht Angst“ der WPKs der Jahrgänge 6 und 9/ 10 der Oberschule Lehre unter der Spielleitung von Kathrin Marks und Lina Neumann.

Auf dieser Grundlage aufbauend zeigen die Schülerinnen und Schüler eine 45- minütige Szenencollage rund um das Thema Angst, die zum Ende hin in einer gemeinsamen Szene, die ein empowerndes Moment aufweist, gipfelt. Mal wachsen Schüler über sich hinaus und überwinden den Abgrund, dann wiederum wird die große Bühne scheinbar immer enger und enger, bis sie die Spielenden zu erdrücken scheint. Für die Darstellung verschiedenster Ängste wird eine Vielzahl von theatralen Mittel eingesetzt. So erklingen bekannte Melodien wie Michael Jacksons „Thriller“, zu dem sich einige Spielende mit Sonnenbrille eine wilde Verfolgungsjagd im Tanzstil von Michael Jackson liefern. Dann wird in einem Video wiederum das Thema des Verfolgtwerdens aufgegriffen. Teils wird auch das Beamerbild in das eigene Spiel miteinbezogen. So verdrängen sich verschiedene angstmachende Gestalten wie der Clown oder ein Kämpfer von der Straße. Durch solche Momente gelingt es, Einzelsituationen für Spielende zu schaffen. Neben der Thematisierung von Ängsten im Allgemeinen werden auch darunterliegende Fragestellungen angekratzt. So kann man sich fragen, was Männlichsein eigentlich, angesichts eines Abgrundes, der überwunden werden muss, sein könnte. Verfolgungsjagden auf offener Straße böten die Frage nach Sicherheit im öffentlichen Raum, aber auch danach, wer sich wie darin aufhalten kann. Diese Fragestellungen könnten auch Möglichkeiten darstellen, in die Tiefe zu arbeiten. Besonders stark sind Momente, in denen mit der Erwartung der Zuschauenden gespielt und diese ironisch gebrochen wird. So erscheint die Frage, ob man ein Taschentuch benötige, in einem anderen Licht, wenn diese von einem vermeintlichen Verfolger gestellt wird. Gegen Ende des Stücks werden mit sehr viel Energie die personifizierten Ängste im allerhintersten Bühnenteil zerstört und Schachmatt gesetzt.

Insgesamt sind konzentriert Spielende zu erleben. Teils wird dieses Spiel auch durch ein gut auf die Schülerinnen und Schüler reagierendes Publikum mitgetragen. Schade erscheinen hier zunächst Momente, in welchen Spielende die Spannung einer Szene nicht aufrechterhalten können. Gleichzeitig bietet mancher private Moment auch Chancen, indem beispielsweise das Ordnen der Kisten aufgelockert wird. Hier könnte sich ein Weiterarbeiten an Momenten des Bruchs oder aber an Fragen der Einbeziehung des Publikums durch ein Heraustreten aus der Haltung des Darbietenden lohnen! Schön waren Kleinigkeiten, wie z.B. das aufmerksame Zurückstellen der Kartons. An dieser Stelle sei auch ein Lob ausgesprochen für den Mut zum Nachgespräch ohne die Spielleitung auf Seiten der Schülerinnen und  Schüler.

Ein Dank für einen breiten Einblick in die Welt der Ängste!

Gesine Pfeiffer

Rauch, rotes Licht, zombieähnliche Gestalten! Wer würde sich da nicht fürchten? Dabei geht es noch um ganz andere Ängste, die uns in vielfältiger Gestalt begegnen: Angst vor Dunkelheit, Fremde, Zukunft, Unbekanntem, Gewitter, Tod, Alleinsein, Dämonen, Kontrollverlust, Spinnen, Clowns und auch vor sich selbst. Ängste wiegen schwer und lassen sich nur gemeinsam (er)tragen.

In der Szenencollage „Angst macht Angst“ nehmen uns die SpielerInnen der WPKs aus Jg. 6 und 9/10 von der Oberschule Lehre unter der Leitung von Kathrin Marks und Lina Neumann mit in eine Grusel-Szenerie, die uns am 5. Juni 2023 im Kleinen Haus das Fürchten lehrt. Puppenspieler lassen ihre Puppen tanzen, bis sie vom Dirigenten ermattet von der Bühne „gezogen“ werden. Die Zuckerfee aus Tschaikowskis „Nussknacker“ erlebt (am Ende nicht mehr) die überraschende Wende. Michael Jacksons Thriller-Bebrillte jagen und vereinnahmen. Begrenzende Wände werden immer enger. Ängste stapeln sich und werden (stand)bildhaft verkörpert. Ängste jagen andere Ängste, wobei ein Teil des Publikums – gerade SchülerInnen aus der eigenen Schule – die Ernsthaftigkeit der Furcht durch unangemessene Reaktionen ins Lächerliche zieht. Schade!

Die meisten SpielerInnen – ob klein oder groß – springen über ihre eigene Angst und auch mal über einen Abgrund, um die Zuschauenden mit- und von sich einzunehmen. Die Spielfläche ist mal der Wald, mal der Sandkasten, der Abgrund, die Straße, das Zuhause. Die vorwiegend Schwarz-Gewandeten zeigen immer und immer wieder, was sie bedrückt, sodass die Botschaften auf den Zuschauerstühlen und an Balustraden im Parkett ein Gesicht bekommen: „Lauf schnell weg! Sag kein Wort! Schau nicht hin! Versteck dich! Nicht atmen! Pssst!“ Ein wenig Auflockerung erfährt die Szenerie beim Verjagen der beängstigenden Spinne mit einer Fliegenklatsche oder wenn der Gefürchtete plötzlich zaghaft ein Taschentuch anbietet.

Die eingespielten Videos lassen teilweise ihre Aussageabsicht vermissen, wenn die Mimik nicht immer zur Stimmung passt, so wie manche Darsteller ihre Privatheit beim Spielen kaum unterdrücken können.

Am Ende wird aber doch die Angst überwunden und mit Füßen getreten, im wahrsten Sinne des Wortes. Ein Schlachtfeld, unüberhörbar und emotional! Lasst Vorsicht walten an der Operafolie! Ein wohlwollender Applaus für die engagierten SpielerInnen unterschiedlichen Alters, deren Teamarbeit im Nachgespräch gelobt wird.

Susanne Gropp

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