Rezension zu „HOLLYWOOD! – Vier Kurzfilme am Vormittag“

Von Zombies, seltsamen Freunden und Indianern – Hollywood meets Schultheaterwoche

Beim großen Finale im Haus Drei konnten sich die Besucher*innen in ihre Theatersessel lümmeln – denn es war Kino angesagt. Mit vier Schülerkurzfilmen beschritten auch die Veranstalter*innen der Schultheaterwochen Neuland – schließlich ist Film ja nun gerade nicht! Theater – also wiederholbar, mit undurchdringlicher 4. Wand und ohne Live-Spieler, die auch mal Fehler machen oder witzige Spontanaktionen auf der Bühne zum Besten geben.

Langweilig – unpassend? Das Gegenteil war der Fall – was an den begeisterten Zuschauerreaktionen zu erleben war.

Zombies bevölkern die Leinwand, als eine geheime Schülerparty an der Schule um Mitternacht aus dem Ruder läuft. Soeben hatten sich die Schüler*innen noch über den „Lehrer des Monats“ lustig gemacht und Zahnlücken auf dessen Foto gezeichnet – auf einmal steht der Verspottete mit bluttriefenden Wunden brüllend und schnaufend da und lechzt nach Rache. Die Kulturklasse des 8. Jahrgangs des Gymnasiums am Fredenberg aus Salzgitter hat sich ein besonderes Format für ihren Film „Silent Scream – Geheime Schülerparty“ ausgesucht – in Stummfilmoptik, Schwarzweiß und nur mit Klaviermusik untermalt – wenige erklärende Untertitel, ausdrucksstarke Spieler*innen und Höchstspannung! Mehr kann man sich auch bei The Walking Dead nicht gruseln. Das Geheimnis des Wurstbrotes wird bis zum Schluss nicht gelüftet – wird es eine Fortsetzung geben?

Sebastian Schrader, der das Projekt in den Fächern Kunst und DS betreut hat, berichtete, dass alle Storyboards und Filmsequenzen von den Schüler*innen selbst gestaltet und umgesetzt wurden. Sogar die Filmmusik war selbst geschrieben – und wurde bei der Aufführung in der Schule live eingespielt. Erst bei Schnitt und Endbearbeitung unterstützten die Lehrkräfte.

Die folgenden beiden Filme „Freundschaft auf den zweiten Blick“ und „Braunschweig – Die Stadt an der Oker mit Öttili und Rössli“ von Schüler*innen der Kleinen Burg des 12. Jahrgangs sind sogar extra für die Schultheaterwoche gedreht worden. Im Seminarfach „Figurentheater“ hatten sie sich, unter Anleitung von Melanie Knop, mit Spiel-Puppen aller Art beschäftigt und hier vor allem ausprobiert, wie man Puppen bespielen und Figuren erfinden muss, damit diese für den Zuschauer lebendig wirken. Liebevoll gestaltete Sockenpuppen sind die Helden, die im ersten Film mit einer Spielerin agieren und diese fast zum Wahnsinn treiben – bevor dann doch noch eine innige Freundschaft entsteht. Die Puppen können Autofahren, Bier trinken, sich streiten – und ihrer fürs Abi lernenden Heldin tierisch auf die Nerven gehen. Große Vorbilder wie die Muppets oder die Minions stehen Pate – an Humor, Einfallsreichtum und schlechter Laune mangelt es diesen Wesen bestimmt nicht.

Die beiden Sockentiere Öttili und Rössli führen anschließend den Braunschweiger Neubürger durch angesagte Locations von der Quadriga am Dach des Schlosses bis in den Nachtclub. Da zum Drehzeitpunkt offensichtlich sehr schlechtes, windiges Wetter war, sind leider einige Teile des Films kaum verständlich und man wusste als Zuschauerin irgendwann auch nicht mehr so genau, warum man nun diesen oder jenen Ort unbedingt gesehen haben muss – weniger wäre hier vielleicht doch mehr gewesen.

Und zum guten Schluss – Indiaaaaaneeeer!!!! Eine Indianerfrau legt eines ihrer beiden neugeborenen Kinder als Opfergabe an den Fuß eines Marterpfahls – zum Glück wird es von der Häuptlingsfrau des verfeindeten Stammes gerettet und aufgezogen. Jahre später verlieben sich die beiden Geschwisterkinder unbekannterweise ineinander – und müssen schmerzhaft erkennen, wie weh verbotene Liebe tun kann. Romeo und Julia lassen grüßen.

Den ungewöhnlichen Kontext erdachten sich Schüler*innen des Zertifikatskurses „Theater“ aus dem 9. Jahrgang der IGS Peine. Der Film „Zwei Federn – Eine Liebe“ ist ebenfalls als Stummfilm gedreht – auch hier nur wenige Untertitel, einige Geräusche, dafür viele Filmtricks und Greenscreen-Szenen. Für einen Schülerfilm erscheint das eher ungewöhnlich, jedoch verriet Projektleiterin Agnes Koller, dass hier eine professionelle Filmausrüstung zur Verfügung gestanden hatte, die ein ehemaliger Schüler nebst personeller Unterstützung einbringen konnte. Spannend auch die Herangehensweise. Da eine der mitwirkenden Schülerinnen hörgeschädigt ist, experimentierte der Kurs mit Gebärdensprache und Pantomime. Aus dem Wunsch, Botschaften auch ohne Text, aber mit viel Körpersprache und Mimik zu vermitteln, entstand schließlich die Idee zu einem Stummfilm. Als Teilnehmer an dem inklusiven Filmwettbewerb „Ganz schön anders– ganz schön aufregend“ des Vereins für Medien und Kulturpädagogik „Blickwechsel“ kam der Film sogar unter die besten zehn und durfte an der großen Filmgala im Astor Grand Cinema Hannover teilnehmen. Glückwunsch!

Schüler*innen mit Methoden und Techniken des Films vertraut zu machen, ist nicht nur curricularer Bestandteil vieler Schulfächer in Niedersachsen. Wie man an diesen Beispielen erkennen kann, begeistern sich Macher*innen und Zuschauer*innen gleichermaßen an diesem Format und lassen, fernab von Mainstreamkino und Blockbuster-Popcorn-Ästhetik, Ideenreichtum und Kreativität erkennen. Also auch auf einem Schultheaterfestival genau richtig!

Agnes Koller

Wer möchte, kann sich zumindest den letztgenannten Film unter https://www.youtube.com/watch?v=t_pKWGcweUc anschauen 🙂

Entdecke mehr von

Jetzt abonnieren, um weiterzulesen und auf das gesamte Archiv zuzugreifen.

Weiterlesen