Rezension zu „A-chtung, N-ichts, G-efährliches, S-agen oder T-un“

Ihr habt Angst? Dann tanzt!”

Von blauen Licht umhüllt, erwachen vorsichtig tastend fünf Körper aus ihren zusammengekauerten Posen. Sie bewegen sich gebückt, langsam kriechend dem Publikum entgegen. Ohne sich der Mimik ihrer Gesichter zu bedienen, die unter Kapuzen für die Zuschauenden verborgen bleiben, vermitteln sie ein Gefühl der Irritation, der Anspannung, des Unbehagens und nähern sich so zunächst stimmlos dem Thema dieser Aufführung an. In dem selbst geschriebenen Stück „A-chtung, N-ichts, G-efährliches, S-agen oder T-un“ erforschen fünf Spielerinnen der Ricarda-Huch-Schule im Rahmen einer Theater AG des 8.-10. Jahrgangs unter der Spielleitung von Britta Strese und Franziska Denecke verschiedene Aspekte, Ausprägungen und Gründe von Angst. Passend dazu nutzen die Spielerinnen Elemente des Tanztheaters, um sich diesem unwillkürlichen Gefühl zu nähern. Die Angst, die einen Menschen im Innersten packt und instinktiv handeln lässt, bietet hier Anlass für eine auf Rhythmik und Bewegung aufbauende Inszenierung. Dabei lösen sich die Tänzerinnen immer wieder von vereinzelt dargestellten Figurentypen und stellen mal einzeln, mal als Chor Körper der Anspannung sowie Körper der Angst dar. Beeindruckend ist dabei, welches Vertrauen die Gruppe in die Wirkungsstärke der großteils ungewöhnlichen Haltungen und Bewegungen hat. Hemmungslos bewegen sich die Körper zu elektronischer Musik, verbiegen sich einzeln und fügen sich wieder zu einem rhythmisch atmenden Ganzen zusammen. Ein hohes Maß an Konzentration und Körperspannung zeigt sich beispielsweise in der Rhythmisierung von assoziierten Begriffen wie ‘Panik’, ‘Erschrecken’ oder ‘Schweiß’, die in Sprache und Bewegung zu einem Chor verschmelzen, der an die großen Bewegungschöre von Einar Schleef erinnern lässt. Dabei werden Situationen wie das Schauen eines Horrorfilms und die Angst vor Mobbing genauso aufgegriffen wie individuelle und fast irrationale Ängste („Ich hab Angst vor einem L…Lö…Lö…Löffel“). Die Spielerinnen finden ganz eigene Zugänge und spielen mit der Deutungsvielfalt des Theaters. Der Pullover, der anfangs zum Schutz diente, wandelt sich im Laufe des Stückes zu einem Objekt der Angst und später der Begierde oder auch zum Tanzpartner. Die Fragen, ob die gezeigten Ausprägungen von Angst nun notwendig sind oder in unserer Gesellschaft nicht mehr gebraucht werden, überlässt die Gruppe dem Publikum und nimmt keine eigene Positionierung vor. Eines ist jedoch klar, die Spielerinnen zeigen ordentlich Selbstvertrauen in ihrem tänzerischen Ausdruck und haben, ganz im Kontrast zum Thema, eines nicht: Bewegungsangst.

Daniel Tiemerding

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