Zwischen Männern und Frauen funktioniert nichts wirklich gut – oder doch?!
Mit dem Urknall hat alles angefangen, dann kam der Urschleim, ein paar Fische, die Reptilien und dann: der Mensch, beziehungsweise Mann und Frau – als Krone der Schöpfung. Aber können diese beiden menschlichen Wesen miteinander auskommen? Mit dieser Frage beschäftigt sich das Theaterstück der Ricarda-Huch-Schule in Braunschweig. Der Kurs Darstellendes Spiel des elften Jahrganges präsentiert ein Potpourri aus Klischees und lässt dabei keinen „dummen Spruch“ unausgesprochen. Die 26 Schüler*innen haben unter der Leitung von Matthias Geginat eine Szenencollage erstellt, die das Männer-Frauen-Thema aus Sicht der einen und der anderen Seite beleuchtet. So stehen Männer auf Bier und Popeln; Frauen dagegen lieben GNTM (Germany‘s Next Topmodel) und müssen immer alles gemeinsam besprechen. Solche Stereotype lassen das Publikum natürlich nicht kalt und werden durch Zwischenrufe und Klatscher kommentiert. Wie die Paradiesszene von Adam und Eva abgelaufen sein könnte, wie die digitale Partnersuche funktioniert oder was Bauarbeiter in ihrer Mittagspause machen, all das wird mit Humor und Spielfreude dargestellt. Standbilder der Venus von Botticelli und der David von Michelangelo amüsieren und bieten einen hohen Wiedererkennungswert. Popsongs wie „Wann ist ein Mann ein Mann“ oder „Männer sind Schweine“ werden durch einen Chor lautstark und herrlich schräg aufgeführt. Auch im Takt kriechen und zappeln Urzeitwesen in rhythmischer Bewegung am Boden. Und am Ende? Eine kitschige Kussszene von Adam und Eva im rosaroten Licht, hinterlegt mit schnulziger Musik. Dann Filmriss: und ein Divers. Das Bühnenbild ist schlicht aber effektvoll gestaltet. Keine überladene Dekoration und auf aufwendige Kostüme wird verzichtet. Stattdessen unterstützen ein gezielter Einsatz von farbigem Licht, ein paar wenige Requisiten und eingängige Musikeinspielungen das Spiel und legen die Betonung auf die Akteure selbst. Die Spielgruppe zeigt sich einheitlich, selbstbewusst und präsent. Das dargestellte Thema garantiert natürlich viel Zündstoff und bietet viele Lacher. Also, die besten Voraussetzungen für einen kurzweiligen und erheiternden Schultheaterabend.
Wera Wahrendorf
Die Evolution der Geschlechter, leicht erklärt
Männer sind vom Mars, Frauen von der Venus. Wir alle kennen den Spruch und es gibt tausende mehr davon. Und genau darum geht es in dem Stück „So’n Männer-Frauen-Ding“ des 11. Jahrgangs des Darstellendes-Spiel-Kurses der Ricarda-Huch-Schule Braunschweig (Spielleitung: Matthias Geginat): den Klischees von Frauen und Männern, die unser Verständnis von den Geschlechtern oft verfärben. Bei den 16 Schülern und 10 Schülerinnen war die Gegensätzlichkeit der Geschlechter sofort erkennbar.
Die ersten Minuten beeindrucken mit einer dichten Atmosphäre; die Schüler*innen präsentieren erst mit wackelnden Bewegungen am Boden einen Urschlamm, danach eine Reihe von schwimmenden ersten Lebewesen und dann Schlangen und Affen. Sofort wird klar: Dieses Stück wird lustig.
Und lustig wurde es. Das Publikum kam immer wieder in den Genuss, spielerische, leichtherzige Momente zu erleben, von der türkischen Putzfrau, die durch die Schöpfung singt und putzt (Sollte sie Gott symbolisieren?), bis zu der sehr bekannten bildhaften Darstellung der Evolution, die in diesem Fall die Reihenfolge mit einem Menschen, der auf sein Handy schaut, beendet, anstelle des üblicherweise stehenden Homo sapiens. In einem kurzen Intermezzo streiten sich ein schwules Paar und ein kotzender, unsympathischer Junge schließt sich an die Evolutionskette an – schon ein düsterer Gedanke für eine ansonsten scherzhafte Vorstellung.
Bei der anschließenden Thematisierung der biblischen Geschichte von Adam und Eva steht wieder der kreative Humor der Spieler*innen im Vordergrund. Zwei besondere Highlights sind dabei die Nachahmung von Michelangelos „Die Erschaffung Adams“ und des lächelnden Baumes der Erkenntnis.
Der Mensch entsteht, die Geschlechter werden getrennt, nun kommen die Klischees. Durch eine Fülle von theatralen Mitteln wie etwa der Durchbrechung der 4. Wand, chorischen Frauen- und Männergruppen, selbst gesungenen Liedern und – meinem persönlichen Favoriten – der Darstellung eines Tinder-Chats zwischen zwei lesbischen Frauen mit zwei Spielerinnen als Textnachrichten wird die Vielfalt des typischen zeitgenössischen Geschlechts- und Beziehungsverhaltens spielerisch vorgestellt. Wie vielleicht zu erwarten war, werden dann die Geschlechterrollen getauscht – ohne dabei aber auf das Klischeehafte zu verzichten. Erst ganz am Ende deutet sich ein Bruch an, wenn ein Liebespaar mit einem als ‘divers’ bezeichneten Menschen konfrontiert ist.
Die Spieler*innen waren genauso begeistert wie das Publikum, und es hat Spaß gemacht, ein so motiviertes Ensemble zu erleben. Ich hätte allerdings gerne etwas mehr zu den Nuancen innerhalb der Geschlechterrollen erfahren. Schließlich sind unsere Auffassungen von dem, was männlich, weiblich oder „divers“ ist, sehr vielfältig. Aber vielleicht ist genau das der Punkt: Wir müssen an der Evolution der Geschlechterrollen noch arbeiten.
Merry Lipinski
Was hat die Evolution sich dabei bloß gedacht?
Solche „Männer-Frauen-Dinger“ gibt es eigentlich schon zur Genüge, aber unterhaltsam bleibt das Thema allemal, zumindest wenn es gut umgesetzt ist. Schließlich hat jede*r schnell eigene Bilder im Kopf und eine Vorstellung davon, was kommen könnte. Was also erwartet die Zuschauer*innen in dem Stück „So’n Männer-Frauen-Ding“, das von den Schüler*innen des DS-Kurses des 11. Jahrgangs der Ricarda-Huch-Schule erarbeitet wurde?
Man kann sagen: ein Feuerwerk von aneinandergereihten Spielszenen aus der Klischee-Kiste, wie es zu erwarten war, aber an so mancher Stelle doch noch überrascht, über Normalmaß amüsiert und manchmal auch den „guten Geschmack“ weit hinter sich lässt. Ehe man aber noch über den einen oder anderen derben Spruch länger nachdenken kann, tut sich das nächste Szenario auf und erfordert alle Konzentration, um bloß nichts zu verpassen. Lachen tut gut – und es gibt tatsächlich nur wenige Momente, in denen das Publikum gebannt-leise dem Geschehen auf der Bühne folgt, ohne dass hier und dort mindestens noch ein nachhallendes Kichern zu hören wäre.
Eine durchgehende Handlung gibt es nicht, es handelt sich vielmehr um eine Collage aus durchgehend witzigen und einfallsreich gestalteten Ideen zu verschiedenen Themen vom Urknall bis zur heutigen Partnersuche im Internet, die manchmal ohne Überleitung, manchmal aber auch durch eingestreute Requisiten oder durch ein verkörpertes weiteres Klischee verbunden werden, wie zum Beispiel die türkische Putzfrau mit Kopftuch und roten Gummihandschuhen, die mit glockenheller Stimme singend die Bühne freifegt für den nächsten Auftritt.
Herrlich anzuschauen sind die Szenen zur Evolution wie die Entwicklung des Primaten zur aufrecht gehenden Handy-Userin bzw. zum durch übermäßigen Alkoholkonsum gezeichneten männlichen Vertreter des Homo sapiens. Auch die Geburt der Venus oder die Begegnung mit Adam und Eva sind Themen, bevor die Zuschauer*innen in die Gegenwart katapultiert werden: Die Sprüche klopfenden Bauarbeiter, die Sprech- und Gesangseinlagen zu musikalischen Klassikern wie „Männer sind Schweine“ von den Prinzen oder „Männer“ von Herbert Grönemeyer sowie die auch von einer gut durchdachten Bühnenbeleuchtung unterstützte Online-Partnersuche mit allen Höhen und Tiefen sind nur einige der vielen bemerkenswerten Leistungen der Spielgruppe.
Einfallsreich und mit aktuellem Touch versehen ist auch der Schluss, der verhindert, dass man letztlich doch nur mit den aufgefrischten, altbekannten Klischees über Mann und Frau nach Hause geht: Eine an Kitschigkeit kaum zu toppende Liebesszene wird durchbrochen von dem nun auch vor dem Gesetz existierenden „dritten Geschlecht“: einer Person, die sich als divers vorstellt. – Und nun?
Der stürmische Applaus belohnt die Spieler*innen und Spielleiter Matthias Geginat für ein sehr unterhaltsames, mit großem Einsatz und von deutlich erkennbarer Spielfreude vorgetragenen selbstverfassten Stück, das – wie im anschließenden Gespräch zu erfahren ist – der Erkenntnis zu verdanken ist, dass die jugendlichen Spieler*innen zu eben diesen Themen regelrecht „aufblühten“.
Babette Burgtorf