Rezensionen zu „Raumforscher“

Ein Stück Definition „Raum ist die grundlegende Komponente der Wirklichkeit.“

Die Theater-AG der Großen Schule Wolfenbüttel hat sich unter der Leitung von Michèle Godau mit dem Raumbegriff an sich, seiner Vielfältigkeit und seinen Grenzen auseinandergesetzt.

Schafft sich zunächst jede/r der 16 Spieler*innen durch Klebestreifen auf dem Boden einen eigenen Raum auf der Bühne, so werden im Folgenden kurze Definitionen aufgestellt. Was ist denn dieses Gebilde eigentlich? Wo fängt es an, wo hört es auf? Und was hat das Ganze mit mir zu tun?

Auf jeden Satz folgt eine Aktion:

Es werden Maschinen aus Körpern gebaut, denn „Raum ist ein abstraktes mathematisches Gebilde.“ Distanzen werden vermessen, Pantomime gespielt. Körper-Raketen starten, denn „das Problem in der Physik bei der Vermessung des Weltraums ist, dass man nur Räume vermessen kann, dessen Grenzen man kennt.“ Space Oditty läuft und die Thematik entwickelt sich weiter.

Bis in die eigenen vier Wände. Bis alles messbar wird. Bis alles seinen Platz findet.

Zwar wird nicht zwischen Raum und Ort unterschieden, dennoch ist die Darstellungsweise in ihrer Abstraktheit ein Mittel, welches dem Stück (trotz weniger Längen) immer wieder neuen Schwung gibt, neue Impulse setzt und den in kollektiver Arbeit entstandenen Raumassoziationen der Spieler*innen  erlaubt, sich ihren ganz eigenen Platz auf der Bühne zu nehmen.

Denn letztlich sind es die Spielenden, die ihren Raum definieren. Die ihn für sich einnehmen, die das Publikum mitnehmen. Das ist ihr Raum, das ist ihr Stück. Und gemeinsam schließen sie die letzte Tür und verlassen die Bühne.

Juri Jaworsky

 

„Einen Raum betritt und verlässt man durch eine Tür.“

Rationale, messbare, grenzenlose oder ganz persönliche Lieblingsräume. Mit dieser Bandbreite setzt sich die Theater-AG der Großen Schule in Wolfenbüttel in ihrem selbst verfassten Stück auseinander. Die Kunst liegt dabei nicht nur in der ideenreichen Umsetzung eines abstrakten Themas, sondern auch darin, die verschiedenen Altersstufen der Spieler*innen von der 5. bis zur 10. Klasse mit einzubeziehen.

Ein kurzer, selbstgedrehter Introfilm, an dessen Ende eine Tür in einen unbekannten Raum geöffnet wird, macht neugierig und Lust auf mehr. Zunächst wird ein großer schwarzer Vorhang durch zwei Schülerinnen schwungvoll geschlossen, wodurch der Bühnenraum entsteht. Was Räume sein und was sie für jeden von uns bedeuten können, wird im folgenden, rund 20-minütigen Stück, auf vielfältige Weise deutlich. Räume werden aus Kreppband erstellt, aus denen es für die Spieler*innen nachher kein Entrinnen mehr gibt. Räume entstehen durch gemeinsame Formationen der Gruppe. Musikalisch untermalt von Space Oddity wird der Weltraum aus allen Blickwinkeln vermessen, begutachtet und ausgewertet. Aber auch das eigene Bett, Sofa oder der Boden als Rückzugs- und Lieblingsraum spiegeln die persönliche Auseinandersetzung der Spieler*innen mit dem Thema wider. Trotz der heterogenen Zusammensetzung hat jeder seinen eigenen Platz im Stück gefunden. Die Gruppe überzeugt sowohl durch viel individuelle als auch durch gemeinsame Spielfreude. Dabei wird ein breites Repertoire an theatralen Mitteln, wie Roboterbewegungen, chorisches Sprechen oder Freak-out angewendet. Trotzdem gelingt es ihnen, auch stille Momente auszuhalten. Mit diesem positiven Gefühl verlassen wir den Raum.

Nicole Weinert

 

Räume – mathematische, physikalische, persönliche Welt(en)räume werden in der Inszenierung der Theater AG der Großen Schule Wolfenbüttel spielerisch  erforscht und verarbeitet. Was zunächst als komplexes assoziatives Netzwerk daherkommt, wird von den Schüler*innen unter der Leitung von Michéle Godau sehr energisch und gekonnt zu einer wirkungsvollen Collage mannigfaltiger Theatertechniken kombiniert, aufgelockert durch den Einsatz verschiedenster Musikstücke.

Das rockt, und zwar richtig: Es macht Spaß, diese Choreographie zu beobachten, von Schwanensee bis Space Oddity, von Pink Panther bis Oomph ist alles dabei, der Raum wird stets ausgefüllt, ohne den Eindruck der Überforderung zu vermitteln. Raumläufe und Tanzpassagen greifen präzise ineinander.

Dabei sind die technischen Mittel durchaus begrenzt, ein dunkles Bühnenbild wird nur durch geometrische Figuren auf dem Boden personalisiert, die Performance lediglich von Musik und etwas Nebel eingerahmt, dazu kurze Videosequenzen, weniger ist manchmal eben doch mehr.

Die jungen Darsteller*innen erforschen im Laufe der Collage sowohl abstrakte wie auch ganz greifbare Räume, ohne dabei den Esprit und Humor zu verlieren, die eine gelungene Aufführung benötigt. Vom unendlichen Weltenraum führt uns die turbulente Reise schließlich ins vertraute Wohnzimmer, wo wir mit ganz alltäglichen Problemen konfrontiert werden: Hunderte Fernsehkanäle bieten keine Ablenkung für den neugierigen jungen Geist.

Kurzum: Was da in kompakten zwanzig Minuten geboten wird, bietet allemal den Stoff für lange, angeregte Diskussionen, von der beachtenswerten Leistung der Darsteller*innen ganz abgesehen. Das verdient Anerkennung und Respekt.

Sebastian Groh

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